Bernd Alois Zimmermann

  • Komponist
  • 20. März 1918, Bliesheim, heute Erftstadt
  • 10. August 1970, Königsdorf, heute Frechen

Vita

Wenn jemand mit zugleich rapidem Elan und beinahe wissenschaftlicher Akribie die ‚musikalischen Aufräumarbeiten’ seiner Generation erledigte, so war es gewiß Zimmermann, dem die meisten der jüngeren Komponisten zunächst den Vorteil einer durch die politischen Verhältnisse ungehemmten Entwicklung voraushatten, schreibt der 1918 in Bliesheim bei Köln geborene Komponist Bernd Alois Zimmermann, eine der markantesten deutschen Komponistenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, über sich selbst in einer biographischen Notiz aus den 1960er Jahren, gedacht wohl als Vorlage für den ihm gewidmeten Eintrag in der Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Diese biographische Verortung und besonders die Brüchigkeit des Weges sind ganz offensichtlich zentral für sein Schaffen.

Bei Kriegsbeginn war Zimmermann 21 Jahre alt. Er war zuvor Internatsschüler am katholische Gymnasium des Salvatorianerklosters Steinfeld (Eifel) gewesen und hatte dort auch ersten Musikunterricht erhalten. Nach der Schließung der Schule durch die Nationalsozialisten 1937 hatte er in Köln sein Abitur abgelegt. Es folgten der obligatorische Arbeitsdienst und der Studienbeginn zum Wintersemester 1938/39 zunächst an der Bonner Lehrerbildungsanstalt, noch im gleichen Semester jedoch wechselte Zimmermann in den Lehramtsstudiengang der Kölner Musikhochschule. 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, allerdings aus gesundheitlichen Gründen 1942 wieder entlassen und schrieb sich in Köln für ein Studium der Musikwissenschaft ein. Nach der kriegsbedingten Schließung der Universität versuchte er im Wintersemester 1944/45 sein Studium in Berlin fortzusetzen, das erhoffte Examen konnte Zimmermann jedoch auch dort nicht mehr ablegen. Nach Kriegsende kehrte er nach Köln zurück, nahm sein Studium an der dortigen Musikhochschule (u. a. bei Philipp Jarnach, Heinrich Lemacher und Paul Mies) erneut auf und schloss es 1947 ab. Im darauffolgenden Jahrzehnt etablierte sich Zimmermann als freischaffender Komponist, debütierte bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik und arbeitete u. a. auch für den Rundfunk, insbesondere für den NWDR in Köln, der ihm mit zahlreichen Kompositionsaufträgen für Hörspielmusiken, Bearbeitungen und andere Lohnarbeiten ein, wenn auch in der Regel sehr bescheidenes, finanzielles Auskommen ermöglichte. Das Jahr 1957 sollte für Zimmermann in mehrfacher Hinsicht einschneidende Ereignisse mit sich bringen. So verbrachte er über den Sommer erstmals mehrere Monate als Stipendiat an der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo, die in diesem Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs als Teil der Außen- und Kulturpolitik der jungen Bundesrepbulik wiedereröffnet hatte. Die Auswahl Zimmermanns, und damit die Öffnung für den Bereich der Musik, war dabei im Kontext des ideellen Wiederaufbaus in Westdeutschland nach 1945 sicher kein Zufall, zulgeich aber auch eine Premiere, war das Programm der Villa Massimo bis dahin doch ausschließlich bildenden Künstlern und Architekten vorbehalten. Dem Aufenthalt Zimmermanns sollten zahlreiche weitere folgen, in deren Rahmen er einige seiner wichtigsten Kompositionen entscheidend voranbringen konnten. Zum anderen übernahm Zimmermann nach seiner Rückkehr aus Italien im November 1957 als Nachfolger von Frank Martin eine Klasse für Komposition sowie das Seminar für Film- und Rundfunkmusik an der Kölner Hochschule für Musik. Mit distanzierter Wachheit verfolgte er die Auseinandersetzungen der Avantgarde nicht nur in Darmstadt. Auch im Kölner und Düsseldorfer Umfeld nahm Zimmermann über den Bereich der Musik hinaus Anteil an den aktuellen künstlerischen Entwicklungen und zog daraus eigenständige Konsequenzen für sein Schaffen. Erst die finanzielle Absicherung durch seine Position an der Musikhochschule erlaubte es Zimmermann, ab Ende der 1950er Jahre größere, teilweise krisenhaft langwierige Aufgaben in Angriff zu nehmen. In dieser Zeit nahm sowohl die Arbeit an der Oper Die Soldaten als auch an dem von der Kantate Omnia tempus habent über das Requiem für einen jungen Dichter bis hin zu seinem letzten Werk, der Ekklesiastischen Aktion reichende Oratorienprojekt ihren Ausgang. Zunehmende öffentliche Anerkennung zeigte sich in Kompositionsaufträgen und Preisen, wie 1965 auch in der Aufnahme in die Westberliner Akademie der Künste. Gleichzeitig nahmen für ihn die gesundheitlichen und auch psychischen Krisen in einem unerträglichem Maße zu. 1970, direkt nach Abschluss des letzten von ihm akzeptierten Kompositionsauftrags, nahm er sich das Leben.

Bernd Alois Zimmermann, Ostsee 1950er Jahre, Foto: Sabine Zimmermann (geb. von Schablowsky), mit frdl. Genehmigung Bettina Zimmermann

Anders als die Generation eines Pierre Boulez oder Karlheinz Stockhausen, die 1945 erst an der Schwelle zum Erwachsenenalter stand, konnte Zimmermann nicht von einem (wenn auch behaupteten) Nullpunkt aus die existente musikalische Sprache in toto in Frage stellen. Vielmehr ließ er sich bewusst auf die Konfrontation mit der überkommenen musikalischen Welt, in der er aufgewachsen war, ein, ebenso wie auch mit der radikalen Kritik und Erneuerung der musikalischen Sprache durch die Nachkriegsavantgarde Dabei gelangte er zu einer sonst kaum anzutreffenden ästhetischen Offenheit. Bernd Alois Zimmermanns seit den 1950er Jahren technisch äußerst avancierte und theoretisch reflektierte Kompositionsweise erlaubte die Integration verschiedenster musikalischer Stile, Genres, die Einbindung von Zitaten aus den unterschiedlichsten Sphären sowie die Öffnung für nicht originär musikalische Medien. Eine starke Vernetzung der einzelnen Werke untereinander bindet die Einzelkompositionen in den Gesamtkomplex des Oeuvres ein. Seine Wirkung verdankt das Schaffen Zimmermanns einem zugleich Gattungsgrenzen sprengenden, Kunstsparten übergreifenden künstlerischen Ansatz, in dem sich die zentralen, auch zeithistorisch begründeten kompositorischen und ästhetischen Herausforderungen des 20. Jahrhunderts wie in einem Brennglas bündeln. Zimmermanns Werke haben sich weltweit auch außerhalb der auf Neue Musik spezialisierten Kreise im Repertoire durchgesetzt. Bis heute ist er, weit über die Folgen seiner direkten Unterrichtstätigkeit hinaus, eine der wichtigsten Identifikationsfiguren für nachfolgende Generationen.